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Date: September 17, 2011 at 13:41:20
From: Rhanie, [121.54.46.82]
URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,785130,00.html
Subject: steuer fuer wurst im stehen, sitzen und was wenn im liegen?

Hallo!

Die spinnen die deutschen!

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,785130,00.html

Jede Wurst hat zwei Enden - und seit neuestem zwei Preise. Wer sie im Stehen verzehrt, genießt den ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Auf den feinen Unterschied kamen neulich die Richter am Bundesfinanzhof. Das Urteil überfordert in der Praxis selbst den gewissenhaftesten Imbissbesitzer.

Bekanntlich hat alles ein Ende - siehe Gaddafi jetzt, Westerwelle bald und den DDR-Sozialismus 1989. Nur die Wurst hat nach einer alten deutschen Volksweise zwei. Das wird gern besungen von Kampftrinkern in Ost wie West, egal wo auf der Welt, am Ballermann Süd oder am Plattensee Ost. In dieser Hinsicht sind wir tatsächlich ein Volk.

Allerdings stehen große Fragenzeichen über unserer gesamtnationalen Imbiss-Idylle. Wir müssen neuerdings nicht nur entscheiden, ob es eine "Thüringer", "Frankfurter" oder "Krakauer" werden soll, sondern auch, wie wir sie zu verzehren gedenken. Diese eher nebensächliche Frage wurde höchstrichterlich aufgeworfen, als der Bundesfinanzhof in seiner unendlichen Weisheit urteilte, dass je nach Steh- oder Sitzgelegenheit des Wurstkonsumenten zu entscheiden ist, welcher Steuersatz fällig wird und vom Imbissbesitzer abzuführen ist. Für die Richter besteht ein Unterschied, ob die Wurst im Stehen oder aber im Sitzen gegessen wird. Und falls im Sitzen, ob die Sitzgelegenheit eine Parkbank ist oder aber ein Stuhl der Imbissbude.

Alles gaga? Von wegen. Staatstragende, relevante Fragen.

Das mag man so sehen. Die Folge aber ist, aus dem Alltag wird durch das Eingreifen der Justiz einmal mehr Realsatire. Denn je nach Sitzfleisch oder Stehparty werden sieben oder aber 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig, was bei einer Wurst für 2,50 Euro das Stück entscheidend ist, nämlich die Differenz von 17 Cent oder 47 Cent ausmacht - richtig gerechnet?

Es geht um die Wurst, die Essenz der Wurst

Das interessiert zwar den hungrigen Mitbürger nicht, dem reicht es, wenn die Wurst nach Wurst oder im besten Fall nach glücklichen Schweinen schmeckt. Aber weil sich unsere höchsten Richter und Steuerfachleute mit der Würstchenfrage befassen, muss etwas Wesentliches, etwas wie die Essenz der Wurst, hinter der Sache stecken. Die Frage ist nur: Was ist das?

Man stelle sich die nach langwierigen und hitzigen Debatten getroffene Regelung, also den Unterschied zwischen Kauen im Sitzen oder Kauen im Stehen einfach mal in der Praxis vor: Zunächst einmal muss jeder, der vom ermäßigten Steuersatz profitieren will, nachweisen, dass er dazu berechtigt ist. Es reicht nicht, wie sonst üblich, in der Marktwirtschaft und auf Märkten eh, lediglich eine Wurst zu verkaufen. Der potentielle Esser muss um Auskunft gebeten werden, wo er diese verzehren wird. Sodann sollte tunlichst alles - selbstverständlich lückenlos - für den späteren Bearbeiter im Finanzamt dokumentiert werden.

Weil dies den Wurstverkäufer, der ja Würste zu braten, in Brötchen zu drücken und mit Senf oder Soße zu übergeben hat, vermutlich überfordert, stellt er am besten gleich noch eine Fachkraft für Dokumentation und Archivierung und eine Buchhalterin neben sich in den Imbisswagen. Die dürfen übrigens auch ohne erhöhten Mehrwertssteuersatz sitzen, es wäre vom Gesetzgeber erlaubt. Das alles natürlich für 2,50 € die Wurst.

Dem Wurstbrater treten Schweißperlen auf die Stirn

Nun stelle man sich den weiteren Verlauf der Szenerie aus dem wahren Leben vor: Ein Opa kommt an die Bude und wird aufgrund der Gesetzgebung streng ermahnt, über die Verzehrabsicht im Stehen oder Sitzen nichts als die Wahrheit und die ganze Wahrheit zu sagen. Verunsichert gibt der betagte Herr an, seine Wurst wolle er gern im Stehen verzehren. Doch nach ein paar Bissen merkt der alte Mann, inzwischen doch etwas schwer auf den Beinen, dass es besser für ihn wäre, sich für einen Moment hinzusetzen. Ein Platz ist frei und der Rentner denkt sich nichts Böses dabei. Dem Wurstbrater aber treten Schweißperlen auf die Stirn, weil er bereits die sieben Prozent ermäßigte Steh-Mehrwertsteuer in die Kasse eingegeben hat.

Deshalb kann er sich ab sofort nicht mehr auf seine neuen Kunden konzentrieren. Was tun, hämmert es in seinem Kopf. Dem Opa die Wurst wegnehmen? Den neuen Sachverhalt fotografisch dokumentieren. Oder seine Buchhalterin auffordern, den Kauf zu stornieren? Vielleicht aber ließe sich späterhin auch mit dem Finanzbeamten seines Vertrauens ein Handel machen, da der Opa ja immerhin die erste Hälfte der Wurst im Stehen genossen hat?

Solch eine vom Leistungsträger verlangte Geistestätigkeit provoziert vor allem eines, was eigentlich keiner will: Steuerzahlerwurstigkeit. Allein schon deshalb, weil jede starke Lobbytruppe, die der Politik nahe steht, ansonsten ihre Steuervergünstigungen hat, während die weniger Durchsetzungsfähigen die volle Last zahlen. Das Ergebnis: über 80 Prozent der Deutschen finden das deutsche Steuersystem ungerecht, diagnostiziert Ursula Ott in ihrem Buch "Total besteuert". Letztlich wirkt der ganze Steuerdschungel wie ein aggressives Krebsgeschwür. Es wuchert und wuchert, gesundes Gewebe wird dabei zerstört und raubt die letzten Lebenskräfte. Nicht mal mehr das Team von der Würstchenbude ist dann in der Lage, trotz allen Bemühens um Steuerehrlichkeit, den Staatshaushalt zu retten.

Auch wenn die Wurst zwei Enden hat, am Ende könnte unser Land nicht an der Wucht einer Revolution zugrunde gehen wie in Libyen oder 1989, sondern an der Unwucht der Kleinkariertheit.

Gruss Rhanie.

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